Dieser Titel ist vielschichtig. Bei den monatlichen Zusammenkünften mit der Bezeichnung "Freies Reden" wird nicht etwa am laufenden Band geplaudert bis einem der Atem stockt. Es handelt sich auch nicht um einen Rhetorikkurs, an dem man lernt, mit prägnanter Redeweise und Mimik die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Nein.
"Freies Reden" ist ein lockeres Stelldichein, an dem zwischen fünf und zwölf Personen um einen Tisch sitzen und vor allem zuhören, staunen, mitfiebern oder mittrauern. Alle dürfen ihre Sorgen oder Glücksmomente offen legen. Je nach Verfassung sprudeln die Worte oder kommen nur stockend über die Lippen. Die Stimmung im Raum schwankt jeweils zwischen ausgelassen, fröhlich, nachdenklich oder – zum Glück nur ganz selten – bedrückend. Ein Abbild unseres Daseins eben.
Gertraude Greub versteht es als Leiterin dieser Treffen hervorragend, den Gruppenmitgliedern aufzuzeigen, wie ihr Selbstwertgefühl und die Achtsamkeit gefördert werden kann. Und ja, "Freies Reden" hat doch etwas mit Rhetorik zu tun. Bei jedem Treffen fällt einem das Diskutieren leichter und die kluge Gesprächsführung von Gertraude Greub verhilft zu einer verbesserten Redekunst. Es kommt auch vor, dass jemand ein persönliches Erlebnis erzählt und aufgrund dieser Geschichte fast alle an Ähnliches oder total Entgegengesetztes erinnert werden. Die Leiterin ist in jedem Fall flexibel. Sie geht zum Beispiel auf das unvorhergesehene Thema ein und lässt die Gruppenmitglieder Assoziationen zum Gehörten notieren. Diese Stichworte werden kommentiert, was wiederum sowohl ein Aha-Effekt oder eine völlige Übereinstimmung zum persönlichen Empfinden auslöst. Bei jedem Anlass bestimmen die Teilnehmenden die Diskussionsthemen.
"Vor einiger Zeit hätte ich nie getraut, an einer Versammlung das Wort zu ergreifen. Jetzt kann ich es." So die Aussage einer begeisterten Teilnehmerin. Zurzeit treffen sich ausschliesslich Frauen im Pfarrhauskeller. Herren sind ebenfalls willkommen. (MK)